Zwei Spinnereihochbauten – Wahrzeichen der Textilgeschichte

„Retten Sie zwei Juwele der Industrie-Architektur“, forderte die Stuttgarter Architekturhistorikerin Kerstin Renz im Jahre 2003. Die nach Plänen des Stuttgarter Industriearchitekten Philipp Jakob Manz errichteten klassischen Spinnereihochbauten des Povel Werk II von 1927/28 (Bild oben) und der Firma Niehues&Dütting von 1928/29 (Bilder rechts) „sind die letzten Vertreter ihres Bautyps und im europäischen Vergleich eine absolute Ausnahmeerscheinung“. Die monumentalen Textilbauten prägten lange Jahrzehnte die Nordhorner Stadtlandschaft. Zugleich verwiesen sie auf das aufgrund seiner textilen Blüteperiode weithin als Klein Amerika geltende Nordhorn der späten 1920er Jahre.

Der NINO-Spinnereihochbau
Der in all seinen Raumdimensionen gegenüber dem Povel Werk II erheblich größere Spinnereihochbau Niehues & Dütting entstand als eine unmittelbare Reaktion auf den Bau des örtlichen Konkurrenten. In dem voll unterkellerten, ebenfalls fünfgeschossigen Putzbau wurden 1929 zunächst 50.000 Spindeln aufgestellt. Die einzelnen Etagen umfassten eine Fläche von jeweils 2.000 Quadratmetern. Die übergroßen Öffnungen im schmalen Betonraster mit ihren ausladenden Glasfronten verweisen wie im Falle Povel auf die Handschrift des Stuttgarter Architekten, der so möglichst helle und von Licht durchflutete Arbeitsräume schaffen wollte. Laut Eigenwerbung stieg Niehues & Dütting mit der Inbetriebnahme des Hochbaus zur größten Baumwoll-Buntspinnerei und -Buntweberei in Deutschland auf. 1929 beschäftigte man 3.200 Mitarbeiter, darunter mehrere hundert Grenzgänger aus den Niederlanden, an 3.000 Webstühlen und 185.000 Spindeln.

Das Povel Werk II
Der Spinnereihochbau Povel ist als fünfgeschossiger, sehr strenger Bau errichtet und erstreckt sich über eine Länge von 50m und eine Tiefe von 36m am Nordhorn-Almelo-Kanal. Die 29,5m hohe Spinnerei erhielt als Wahrzeichen einen 40m hohen Treppenturm. In den Fabriksälen des mit einer Klinkerfassade versehenen Baus aus Zementguss wurden 40.000 Feingarnspindeln aufgestellt. Bis 2002 betrieb die Textilfirma „Norgatex“ im ehemaligen Povel Werk II eine Garnspinnerei. Der seither ungenutzte und leider nicht denkmalgeschützte Spinnereihochbau des Povel Werk II wurde im Frühjahr 2010 trotz manchen Einspruches historisch interessierter Bürgerinnen und Bürger abgerissen. Seither wird das nunmehr im Besitz des Landkreises Grafschaft Bentheim befindliche Werksgelände grundlegend saniert. Künftig soll dort eine neue Wohnsiedlung entstehen.